Ein Fischbauchträger (Pauliträger) über einen kleinen Fluss in den Bergen

Projekt für eine Fussgängerbrücke

Bauingenieur: Lorenz Kocher

Der Pauliträger mit seiner parabolischen Form ist ein Archetyp der Ingenieurbaugeschichte. Seine Gestalt folgt direkt aus dem angestrebten Tragverhalten . Belasten wir einen als einfachen Balken gelagerten Pauliträger mit einer gleichmässigen oder einer einseitigen Last, so wirken Druckgurt, Zuggurt und Füllglieder derart zusammen, dass am Trägerende keine Horizontalverschiebung vorhanden ist. Unter Gleichlast sind die Kräfte in den Gurten konstant, die vertikalen Füllglieder leiten die Hälfte der Einwirkung in den Zuggurt und die Diagonalen bleiben unbeansprucht. Auch unter einseitiger Last bleibt die Beanspruchung der Füllglieder äusserst gering. Dies steht im Gegensatz zum parallelgurtigen Fachwerkträger, welcher unter Gleichlast äusserst variable Gurtkräfte und stark beanspruchte Füllglieder aufweist. Der Pauliträger ist somit nicht nur von historischer Bedeutung, sondern auch für zeitgenössische Leichtbaustrukturen mit grosser Spannweite von Interesse, wenn eine gleichmässige Materialausnutzung angestrebt wird.

Abb. 1: Längsschnitt

Abb. 2: statisch unbestimmter linsenförmiger Pauliträger unter Gleichlast. Die Gurte sind parabelförmig und affin zum Momentenverlauf. Unter Gleichlast sind die Kräfte im Zug- und Druckgurt nahezu konstant. Einen noch gleichmässigeren Spannungsverlauf kann durch eine grössere Steigung des Gurtverlaufs in den Endbereichen erzielt werden. Die Füllglieder sind alle auf Druck beansprucht, wobei die Diagonalen eine Druckkraft von bis zu 1 % und die vertikalen Stäbe bis 3.8 % der maximalen, vorherrschenden Gurtkraft erhalten. Die Kräfte in den geneigten Füllgliedern sind feldweise gleich gross.

Abb. 3: Im Gegensatz zum Pauliträger zeigt der statisch unbestimmte, parallelgurtige Träger unter Gleichlast einen abgetreppten Verlauf der Gurtkräfte. Die Diagonalen sind mit bis zu 30 % der maximalen Gurtkraft stark belastet und die vertikalen Stäbe entsprechend gering.

Die Spannweite des Pauliträgers beträgt 30 m bei einer maximalen Höhe von 3.0 m. Die Gehwegebene liegt mit einem variablen Abstand oberhalb der Druckgurte und ist ebenso parabolisch gekrümmt. Im Vorlandbereich liegt der Gehweg auf einer Winkelstützmauer auf, so dass die Hauptspannweite beidseitig um weitere 3.0 m verlängert wird. Der Höhenunterschied zwischen dem Widerlager des Pauliträgers und der Oberkante der Winkelstützmauer beträgt rund 1.10 m. Durch das Abheben des Gehweges von den Druckgurten kann erreicht werden, dass der Druckgurt des Trägers nicht abgeflacht werden muss und eine maximale Steigung von 6 % eingehalten ist. Der Pauliträger besitzt parabolisch gekrümmte, symmetrische Gurtungen und besteht aus zwei kastenförmigen Druckgurten und einem zentrischen Zugseil. Daraus resultiert ein variabler, dreiecksförmiger Querschnitt. Der Träger ist mit Vertikalen in Felder von 3.0 m Länge unterteilt und kreuzweise mit Zugseilen ausgesteift. Abhängig von der Topographie kann die Winkelstützmauer eine grössere Tiefe als die Widerlager besitzen und beispielsweise Teil einer Quaimauer, einer erhöhten Strasse entlang eines Flusses sein oder das Gelände mit Flügelmauern befestigen. Im Scheitelbereich verschmilzt der Pauliträger nicht mit dem Überbau. Die Gehwegplatte liegt auf vertikalen Querscheiben, welche ihrerseits auf den Druckgurten befestigt sind.

Der Pauliträger ist als einfacher Balken mit einem längsverschieblichen Auflager gelagert und liegt mit den beiden Druckgurten auf dem Widerlager auf. Die Gehwegplatte ist bei den Winkelstützmaern längsverschieblich gelagert. Das Geländer der Brücke besteht aus vertikal zum Gehweg stehenden Staketen mit einem Abstand von 110 mm und einer Höhe von 1.10  m.

Abb. 4: Querschnitt

Materialisierung
Die Widerlager sind in Beton ausgeführt mit einer Überdeckung von mindestens 50 mm. Die Stahlkonstruktion des Pauliträgers besteht aus vor Korrosion geschütztem Stahl der Festigkeitsklasse S355. Die Zugseile sind vollverschlossen. Der Überbau ist aus Holz.

Konstruktive Durchbildung
Das Zugseil des Pauliträgers ist als vollverschlossenes, vor Korrosion geschütztes Seil mit einem Nenndurchmesser von 60 mm ausgeführt. Das Seil wird an den jeweiligen Knoten umgelenkt, so dass ein annähernd parabelförmiger Verlauf entsteht. An den beiden Enden des Pauliträgers erfolgt die Krafteinleitung der Zugkraft in die beiden Druckgurte über ein K-Fachwerk zwischen den Gurten. Somit werden die Fundamente vor allem durch eine vertikale Kraftkomponente aus Eigengewicht und Nutzlast beansprucht. Die beiden Druckgurte bestehen aus einem dicht geschweissten Stahlkasten aus 16 mm dicken Blechen, einer Breite von 250 mm und einer Höhe von 260 mm. Der Querschnitt des Kastens bleibt konstant. Die Stahlkasten sind untereinander durch Querstreben verbunden und liegen auf dem Widerlager, wo sie durch Führungsbleche gehalten werden, damit ein Abrutschen vom Lager verhindert ist. Die Stahlteile sind vor Korrosion geschützt und erhalten einen Anstrich.

An den Knoten des Zuggurts schliessen zwei Vertikalstäbe sowie vier Seildiagonalen an. Durch den variablen Querschnitt ergeben sich unterschiedliche Öffnungswinkel zwischen den Füllgliedern, was die Konstruktion von anpassbaren Knotenverbindungen bedingt. Der Winkel zwischen den Vertikalstäben bewegt sich zwischen 97◦ und 44◦ in Brückenquerrichtung. Die Seildiagonalen besitzen einen Öffnungswinkel zueinander in Brückenquerrichtung von 40◦ bis 32 ◦ und in Brückenlängsrichtung von 108◦ bis 87◦. Die Vertikalstäbe haben einen Durchmesser von 70 mm und eine Wanddicke von 4 mm. Die Befestigung erfolgt mit angeschweissten Blechen und Bolzen, so dass ihre Neigung in Brückenquerrichtung angepasst werden kann. Die Seildiagonalen sind als vollverschlossenes Seil mit einem Nenndurchmesser von 21 mm ausgeführt und schliessen mit Augenstäben und Bolzen an den Knoten an. Durch einen zusätzlichen drehbaren Stahlzylinder können die Seildiagonalen um 2 Achsen frei bewegen. Der Anschluss der Stäbe an die Druckgurte erfolgt analog zum Zuggurt, jedoch ohne Seilklemmvorrichtung.

Der gesamte Überbau ist aus Holz. Auf den Druckgurten liegen Querscheiben aus Brettschichtholz. In Brückenlängsrichtung sind auf den Querscheiben BSH-Träger angeordnet, welche die Gehwegkonstruktion aus Dreischichtplatte, Abdichtung und Bohlen tragen. Die Holzkonstruktion des Gehwegs ist hinterlüftet.